Stadtansicht um 1830. Lithographie nach einer Zeichnung von Franz Meyer. Bearbeitung: LAG Main4Eck
Aus nahezu gleicher Perspektive, nur knapp 200 Jahre später. Foto: Burglandschaft
Die älteste detaillierte Darstellung Stadtprozeltens in einer Wertheimer Geleitkarte von 1593. Staatsarchiv Wertheim R-K Nr. 5950. Bearbeitung: LAG Main4Eck
Stadtprozelten im Bayerischen Urkataster 1844. Geobasisdaten: Bayerische Vermessungsverwaltung. Bearbeitung: LAG Main4Eck
Isometrischer Schnitt durch das Historische Rathaus. Harald Neu Architekt und Städtebauarchitekt BDA. Bearbeitung: LAG Main4Eck
Im Portal zum Treppenturm des Rathauses: ' 1 6 2 1 '. Foto: Gina Gehrig-Spanlang
Über die 'Schnecke' gelangt man bis ins Dachgeschoss des Rathauses. Heute würde man Wendeltreppe sagen. Foto: Gina Gehrig-Spanlang
Stadtansicht um 1830. Lithographie nach einer Zeichnung von Franz Meyer. Bearbeitung: LAG Main4Eck
Aus nahezu gleicher Perspektive, nur knapp 200 Jahre später. Foto: Burglandschaft
Die älteste detaillierte Darstellung Stadtprozeltens in einer Wertheimer Geleitkarte von 1593. Staatsarchiv Wertheim R-K Nr. 5950. Bearbeitung: LAG Main4Eck
Stadtprozelten im Bayerischen Urkataster 1844. Geobasisdaten: Bayerische Vermessungsverwaltung. Bearbeitung: LAG Main4Eck
Isometrischer Schnitt durch das Historische Rathaus. Harald Neu Architekt und Städtebauarchitekt BDA. Bearbeitung: LAG Main4Eck
Im Portal zum Treppenturm des Rathauses: ' 1 6 2 1 '. Foto: Gina Gehrig-Spanlang
Über die 'Schnecke' gelangt man bis ins Dachgeschoss des Rathauses. Heute würde man Wendeltreppe sagen. Foto: Gina Gehrig-Spanlang

Stadt Prozelten

2 Min. Fußweg
1 Min. zur Haltestelle
7 Min. zum Bahnhof

Ein 'Städtchen des Deutschen Ordens'. So ist Stadtprozelten im Untertitel der Chronik von 1992 charakterisiert. Die Kleinstadt unterhalb der majestätischen Henneburg verdankt ihren Aufstieg im späten Mittelalter maßgeblich den Deutschherren. In der Altstadt lassen sich nicht nur Relikte aus der Zeit des Deutschen Ordens entdecken, sondern aus allen Epochen der Stadtgeschichte: Teile der Stadtmauer, die ehemalige Spitalkirche, das Renaissance-Rathaus, das frühere Gefängnis oder die alte Stadtapotheke.

Zur Henneburg auf fabuly

Zur Spitalkirche auf fabuly

Stadtgründung

Angesichts der sehr beengten und hochwassergefährdeten Lage Stadtprozeltens, ist davon auszugehen, dass sich die Stadt nicht aus einer älteren, dörflichen Siedlung entwickelt hat, sondern erst mit bzw. nach Gründung der Henneburg als sogenannter Burgflecken gegründet wurde. Die ältesten erhaltenen Bauteile der Burg stammen aus der Zeit nach 1220, die erste urkundliche Nennung von Burg ('castrum') und Stadt ('civitas') Prozelten aus dem Jahr 1275. Alle früheren Erwähnungen von Prozelten beziehen sich höchstwahrscheinlich auf Dorfprozelten. Folglich dürfte das Stadtgebiet um die Mitte des 13. Jahrhunderts besiedelt und sehr bald - wenn nicht von Beginn an - mit Stadtrechten ausgestattet worden sein. Stadtprozelten reiht sich damit in die spätmittelalterliche Gründungswelle von Klein- und Kleinststädten ein, zu der auch die Nachbarstädte Gemünden (1243), Wörth (1291), Obernburg (1313) und Neustadt/Breuberg (1378) gehören.

Die Neugründung stand - Stadtrecht hin oder her - zunächst im Schatten des benachbarten Dorfes Prozelten. Dessen Kirche St. Vitus war Pfarrkirche für die umliegenden Gemeinden. Erst im 14. Jahrhundert entwickelte sich Stadtprozelten zur bedeutenderen Siedlung. 1319 übernahm der Deutsche Orden die Herrschaft über Burg und Stadt und verlegte die Kommende in Neubrunn bei Würzburg inklusive des dortigen Spitals nach Prozelten. Schon 1323 löste sich die Kirchengemeinde als eigenständige Pfarrei aus dem Dorfprozeltener Kirchensprengel. Die förmliche Verleihung der Stadtrechte erfolgte durch Kaiser Karl IV. am 12. Mai 1355. Die Urkunde wurde während Karls Italienzug in Pisa ausgestellt, fünf Wochen nach seiner Kaiserkrönung in Rom, auf dem Rückweg des Heeres nach Norden. Der Deutschordensritter Philipp, Komtur der Kommende Prozelten, war einer seiner Begleiter und wurde hierfür mit den Stadtrechten nach Gelnhäuser Vorbild für die zu seiner Kommende gehörende Siedlung belohnt. Er und seine Nachfolger erhielten ausdrücklich das Recht, Prozelten zu befestigen, die volle weltliche Gerichtsbarkeit auszuüben und einen wöchentlichen Markt immer samstags abzuhalten. Da die Urkunde bereits von der 'Stadt Prozelten' spricht, ist sie als Bestätigung von faktisch längst ausgeübten Rechten einzustufen. Das kaiserliche Diplom von 1355 verlieh dem status quo, der zum Teil vielleicht schon seit rund 100 Jahren bestand, Rechtssicherheit.

Zur Abgrenzung vom Dorf Prozelten wurde seit jeher darauf Wert gelegt, den Rechtsstatus 'Stadt' zu nennen. Aus der Formulierung 'die Stadt Prozelten' entstand der Ortsname 'Stadtprozelten', der ab ca. 1500 begegnet und im Lauf der Zeit immer üblicher wurde. Die getrennte Schreibung wurde zwar noch bis ins 19. Jahrhundert hinein benutzt, jedoch zunehmend verdrängt. Da die Amtssprache eine gesonderte Nennung des Rechtsstatus 'Stadt' beibehielt, kam es zur Doppelformulierung 'Stadt Stadtprozelten'. In gleicher Weise ist dies auch bei anderen Städten geschehen, etwa Stadtallendorf, Stadthagen, Stadtsteinach und weiteren. Bei manchen Kommunen, wie dem Markt Stadtlauringen, der Stadt Marktheidenfeld oder dem Ortsteil Stadtschwarzach, entspricht der im Ortsnamen verankerte historische Rechtsstatus gar nicht mehr dem heutigen.

Stadtbefestigung und Judentor

Wie für spätmittelalterliche Burgstädtchen typisch, ist Stadtprozelten über die Stadtmauer direkt mit der Henneburg verbunden. Die Befestigung bildet ein flaches, unregelmäßiges Dreieck mit einer ca. 370m langen Mauerfront auf der südöstlichen Mainseite, zwei jeweils nur rund 50m langen Kopfmauern mit den Haupttoren im Nordosten und Südwesten sowie den beiden 140m und 180m langen Schenkelmauern, die zur etwa 60m höher gelegenen Henneburg heraufführen, welche die nach Nordwesten weisende Spitze des Dreiecks einnimmt. Vor den Haupttoren und den Schenkelmauern waren Gräben ausgehoben, die bis zum Mainufer führten. Im Inneren der Stadtmauer blieben auf der engen Ebene zwischen Burgberg und Main nur jeweils 20-30 Meter tiefe Parzellen links und rechts der längs durch die Stadt führenden Hauptstraße zur Wohnbebauung. Die effektive Siedlungsfläche betrug rund 1,5 Hektar, was gerade mal anderthalb Fußballfeldern entspricht.

Neben den beiden Haupttoren an der Hauptstraße (Ober- und Untertor) führte das Mitteltor zur Mainfähre - bis heute. Außerdem befanden sich auf der Mainseite mindestens zwei Pforten, darunter das zu einem lauschigen Plätzchen umgestaltete 'Judenthor' direkt gegenüber dem Rathaus. Diese sind in der ältesten Stadtdarstellung von 1593 nicht abgebildet. Deshalb ist unklar, ob sie zum Originalbestand zählen oder erst in späterer Zeit eingebaut worden sind. An einigen Stellen entlang der Mainfront zwischen Fähre und der (ungewöhnlich) gerundeten Nordwestecke nahe dem Oberthor sind die Reste der Stadtwehr in Hausfassaden zu entdecken. Sie besaß eine Gesamthöhe von rund fünf Metern, wobei in ca. vier Metern Höhe Konsolsteine herausragten, welche die steinerne Brustwehr des vorkragenden Wehrgangs trugen. Hinweise auf Türme existieren nicht. Auch die beiden Haupttore waren wohl keine Tortürme, sondern einfachere Mauertore. Die beiden Schenkelmauern zur Burg sind größtenteils erhalten, da sie im steilen Gelände von späteren Bauvorhaben kaum beeinträchtigt wurden. Sie zeigen Gerüstlöcher, die für Bau und Instandhaltung notwendig waren. Anzeichen für einen Wehrgang entlang ihrer Mauerkrone fehlen aber, sodass sie anscheinend keine aktive Verteidigungsmöglichkeit besaßen.

Über das genaue Alter der Stadtprozeltener Stadtwehr lassen sich nur Vermutungen anstellen. Die Kaiserurkunde von 1355 gestattet explizit den Bau von "...Mauern, Gräben und anderen Befestigungen, mit denen andere Städte gewöhnlich befestigt sind...", sodass spätestens zu dieser Zeit die Bewehrung Stadtprozeltens in Angriff genommen worden sein muss. Ein höheres Alter der Stadtmauer ist durchaus möglich, denn mit dem Stadtdiplom von 1355 wurde wahrscheinlich ein bereits bestehender status quo bestätigt. Bei der Selbstverständlichkeit, mit der Prozelten seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert als 'Stadt' tituliert wird bzw. sich selbst tituliert, erscheint es plausibel, dass dieser Status auch - und gerade - durch eine Mauer zur Schau gestellt wurde, so wie es bis weit in die Neuzeit hinein selbstverständlich war. Der Deutsche Orden, der ab 1319 die alleinige Stadtherrschaft inne hatte, drängt sich angesichts seiner üppigen Ressourcen als Bauträger geradezu auf. Auch das von ihm am südwestlichen Stadtrand errichtete Spital wurde von der Stadtmauer eingefasst, wobei hier eine nachträgliche Erweiterung des Mauerrings nicht auszuschließen ist. Der Zeitraum ca. zwischen 1319 und 1360 ist somit am ehesten als Entstehungszeit der Prozeltener Stadtwehr in Betracht zu ziehen. Die Zeit vor 1319 ist hingegen unwahrscheinlich, zumal die Burg selbst hier noch unvollendet war.

Historisches Rathaus

Das Renaissance-Rathaus Stadtprozeltens, die Perle der Stadt, erstrahlt nach seiner Sanierung 2013-2017 wieder in neuem - altem - Glanz. In den 'Kunstdenkmälern des Königreichs Bayern' wird das laut Jahreszahl über dem Haupteingang im Jahr 1520 errichtete Gebäude als 'malerischer Bau' gewürdigt - völlig zurecht. Im massiven Erdgeschoss, heute ein Veranstaltungsraum, befanden sich die Markthalle und das Wachtlokal der Stadtpolizei. Das kleinräumigere Obergeschoss besteht aus außen verputztem Fachwerk. Hier befindet sich auch der historische Sitzungssaal mit dem Erker. Die Rathausfassade wird von dem verschieferten und turmartig um zwei Geschosse über die Dachtraufe hinausragenden Erker dominiert. Zwei Sandsteinsäulen mit Hochwassermarken der letzten 500 Jahre stützen ihn. Im darüber liegenden offenen Obergeschoss befindet sich die Stadtglocke, die ursprünglich vor Gefahren wie Feuer oder Unwetter warnte und heute noch bei Wahlen zur Öffnung und Schließung des Wahllokals im EG geläutet wird.

Bei einer Renovierung im Jahr 1600 wurden die mechanische Uhr auf seiner Nordostseite installiert und die bemalte Glasscheibe im mittleren Erkerfenster eingesetzt. Sie zeigt die Personifikationen der Gerechtigkeit (Justitia) und der Klugheit (Prudentia) zu Seiten des Stadtwappens mit Mainzer Rad. Die zweitürmige Gestalt besitzt das Gebäude erst seit 1621, als der im obersten Geschoss verschieferte Treppenturm an der Südwestecke ergänzt wurde.

Bis 1811 stand direkt neben dem Rathaus noch eine Kirche: St. Georg. Das kleine, wahrscheinlich zur Zeit der Stadtgründung im mittleren 13. Jahrhundert errichtete Kirchlein war die erste Pfarrkirche der Stadt, verlor diese Funktion jedoch spätestens im 18. Jahrhundert an die wesentlich größere Spitalkirche, unter anderem wegen seines schlechten baulichen Zustands, und wurde schließlich abgerissen.

seitlich Wappen der Löwen von Steinfurt mit Deutschordenskreuz, Schloßsaal - Gewölbekeller

Stadtapotheke, Benefiziatenhaus, Gefängnis

Das von Efeu bewachsene Sandsteingebäude der Stadtapotheke wurde erst 1816 errichtet, und zwar an der Stelle, wo bis 1811 noch die Georgskapelle - Stadtprozeltens ältester Kirchenbau - stand. Die Apotheke schließt direkt an das ehemalige Benfiziatenhaus an. Der gelb verputzte, dreistöckige Bau mit Halbwalmdach wurde 1777 errichtet und beherbergte weitere Geistliche, zumeist Kapläne, die in der Stadt tätig waren. Der Pfarrer wohnte im 1614 neben der Spitalkirche errichteten Pfarrhaus, bis dahin war er im Spital untergebracht. Der Begriff 'Benefiziat' bezieht sich auf die Versorgung dieser Geistlichen mittels einer Pfründe, lateinisch beneficium. Mit den kirchlichen Ämter, welche die Benefiziaten bekleideten, waren Pfründen verbunden, also Vermögenswerte, deren Erträge den jeweiligen Amtsinhabern als Unterhalt bzw. Einkommen zustanden, beispielsweise Pachteinnahmen, Stiftungsvermögen oder Natural-/Geldabgaben.

Von Rathaus, Apotheke und Benefiziatenhaus führt der Burgweg zur Henneburg hinauf. An ihm liegt das ehemalige Gefängnis, ein im Hang stehender dreigeschossige Sandsteinquaderbau mit Treppengiebel. Er wurde um 1860 an der Stelle der mainzischen Amtskellerei errichtet und befindet sich heute in Privatbesitz.

Spital

Als der Deutsche Orden 1319 die Herrschaft in Stadtprozelten übernahm, verlagerte er seine Kommende in Neubrunn samt dem dortigen Spital - einem Altenheim - hierhin. Am südlichen Stadtrand wurde, wahrscheinlich noch vor der Ummauerung der Stadt, der Spitalkomplex mit eigener Kirche St. Barbara errichtet. Mit der Veräußerung Stadtprozeltens an das Erzstift Mainz 1483 wechselte zwar die Trägerschaft des Spitals, es blieb allerdings bis 1985 durchgängig in Betrieb.

Seit der Renaissance wurden Kirche und Spital mehrfach umgebaut, erweitert und umgestaltet. Spätestens ab dem 18. Jahrhundert wurde St. Barbara faktisch als Pfarrkirche genutzt, offiziell jedoch erst 1811, mit dem Abriss des baufälligen Georgskirchleins, zur solchen erhoben. Ihr heutiges Patrozinium ist Mariae Himmelfahrt. Die Spitalgebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite stammen aus dem 18. Jahrhundert (Pfründnerbau) und 1808 (Verwalterbau), enthalten aber auch noch renaissancezeitliche Gebäude- und Bauteile.

Literatur und Links

Adolf Feulner: Stadtprozelten.
In: Felix Mader (Hg.): Bezirksamt Marktheidenfeld. Die Kunstdenkmäler von Bayern. Regierungsbezirk Unterfranken VII, München 1913, S. 112–142.

Immacolata Saulle Hippenmeyer: Artikel 'Pfründen'.
In: Historisches Lexikon der Schweiz (Online: HLS, 2010 [13.04.2023]).

Stadt Stadtprozelten (Hg.): Stadtprozelten 1355-2005, Stadtprozelten 2005.

Erhard Tremel: Chronik der Stadt Stadtprozelten - einem Städtchen des Deutschen Ritterordens, Stadtprozelten 1992.

 

weiterführende Links

Stadtbefestigung - Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

Historisches Rathaus - Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

Tourismusinformation Stadtprozelten

Stadt Stadtprozelten

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