Limeswachtturm WP 10/1 'Moorrain'
Am römischen Kastell bei Wörth am Main lag von ca. 120 bis um 150/160 n.Chr. der Beginn des Odenwaldlimes. Hier verließ die Grenze das Maintal und zog etwa 2 km Richtung Westen auf den 160 Meter höher gelegenen Schneesberg, um ab dort dem Höhenzug des Odenwalds zu folgen. Rund 250 Meter vom Kastell Wörth entfernt wird der erste von insgesamt etwa 85 Wachttürmen der römischen Postenkette über den Odenwald vermutet.
Zum Limeswachtturm WP 10/2 auf fabuly
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Lage
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Der Turmstandort wird nördlich der Mittleren Mühle in der Flur 'Moorrain' vermutet. Es ist die Fußzone eines um gut 60 Höhenmeter zum deutlich flacheren Schneesbergplateau aufsteigenden Steilhangs. Korrespondierend dazu wird in der Kopfzone dieses Steilhangs etwa 400 m weiter westlich eine weitere Turmstelle (WP 10/2) vermutet. Die Strecke dazwischen ist einer der steilsten Abschnitte am gesamten Odenwaldlimes. Der genaue Limesverlauf im Umfeld Wörths konnte bislang allerdings noch nicht geklärt werden. Deshalb sind die ersten drei Turmstellen des Odenwaldlimes nach wie vor hypothetisch und harren eines archäologischen Nachweises.
Zur systematischen Erforschung des Obergermanisch-Rätischen Limes unterteilte die 1892 gegründete Reichslimeskommission das rund 550 km lange Flächendenkmal in 15 Streckenabschnitte, deren Erforschung 'Streckenkommissaren' anvertraut war. Der bei Wörth vom Main abgehende und (mindestens) bis Bad Wimpfen über Land verlaufende Odenwaldlimes war 'Strecke 10'. Die Turmstellen und Kleinkastelle wurden, beginnend am Kastell Wörth, fortlaufend durchnummeriert.
Die Wachttürme und meisten Kleinkastelle am Limes hätten größere Gruppen germanischer Krieger nicht am Grenzübertritt hindern können. Das Kastell bei Wörth beherbergte 'nur' einen Numerus (eine Schar) aus 150 bis 200 Soldaten. Und diese Truppe hatte neben der Bewachung des eigenen Lagers mehrere Limeswachttürme mit je etwa 6 bis 8 Mann im ständigen Wechselbetrieb zu besetzen. Die Garnisonen der Kleinkastelle besaßen effektiv also keine Kampfkraft. Das militärische Rückgrat der knapp 80 km langen Hinteren wie Vorderen Odenwaldlinie bildeten vier Kohortenkastelle mit jeweils knapp 600 Mann, zum Teil beritten. In Obernburg, dem nördlichen Kopflager des Odenwaldlimes, stand die 4. Aquitanierkohorte. Die nächste Kohorte stand in Oberscheidental (BW), 36 km Luftlinie weiter südlich, also einen guten Tagesmarsch weit entfernt. Im Ernstfall war effektive Kommunikation zur nächsten Kampfeinheit folglich sehr wichtig. Die Türme und Kleinkastelle entlang des Limes hatten also nicht nur ihren Grenzabschnitt zu überwachen, sondern dienten ebenso als Übertragungsknoten in der optisch-akustischen Signalkette zum nächsten Kohortenlager.
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Der Obergermanisch-Raetische Limes
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Mit dem Vorrücken römischer Legionen an den Rhein unter Kaiser Augustus im Jahr 12 vor der Zeitenwende wurde der - heute bayerische - Untermain Grenzgebiet zwischen Imperium Romanum und Barbaricum - und blieb es für die nächsten drei Jahrhunderte. Im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung war das rechtsrheinische Gebiet noch umstritten und keine Grenzziehung möglich. Die verbissenen und nur phasenweise ruhenden römischen Expansionsbestrebungen trafen auf den hartnäckigen Widerstand germanischer Stämme. Gegen Ende des Jahrhunderts stabilisierte sich die Situation, sodass es um 90 n.Chr. zur Gründung der römischen Provinz Obergermanien (Germania superior) kam. Spätestens unter Kaiser Traian (98-117) hatte sich ein konkreter Grenzverlauf herauskristallisiert, der seit 110/120 n.Chr. klar markiert und lückenlos überwacht wurde: der Obergermanisch-Raetische Limes.
Was die Römer als 'limes' bezeichneten, konnte höchst unterschiedlich aussehen. Von einer schlichten Rodungsschneise bis hin zu einem überwachten Grenzfluss oder einer massiven Befestigungsmauer. Ursprünglich war mit 'limes' gar keine Grenzanlage gemeint, sondern eine geräumte Schneisen in unwegsamem Gelände. Das Militär legte solche 'limites' bei Feldzügen in feindlichem Gebiet zur Beschleunigung von Kommunikation, Nachschubversorgung und Truppenbewegungen an. Doch im Laufe der Kaiserzeit, also im 1. bis 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, entwickelte sich das Wort zum Inbegriff der römischen Grenzsicherung schlechthin.
Der 'Nasse Limes', also die Flussabschnitte, konnten von der Flotte überwacht und mit wenigen Kastellen gesichert werden. So auch zwischen Seligenstadt und Wörth, später bis Miltenberg (5 bzw. 8 Kastelle). Landstrecken mussten hingegen mit enggliedrigeren Postenketten versehen werden. Die den Odenwald überquerende Strecke wurde bereits in den Jahren um 110 n.Chr. mit Wachttürmen versehen. Der Verlauf ihres ca. 30 Kilometer langen Nordteils orientiert sich an der Landschaftstopographie. Von Wörth am Main aus zieht sie auf die Höhen des Odenwalds und folgt in einem weiten Bogen dem Bergrücken Richtung Süden entlang der Wasserscheide zwischen Mud und Mümling bis nach Schloßau bei Mudau. Dort knickt sie nach Süden ab und verläuft, da die Topographie hier wesentlich seichter ist, gut 50 Kilometer geradlinig bis Bad Wimpfen am Neckar. Bereits 40-50 Jahre später wurde der Odenwaldlimes von der Vorderen Odenwaldlinie abgelöst. Diese verläuft ab Miltenberg einige Kilometer weiter östlich und hatte für gut 100 Jahre Bestand, bis sie um 280 n.Chr. aufgegeben wurde.
Aufbau des Limes
Als der ORL 110/120 angelegt wurde, errichteten die Römer noch keine durchgängigen Grenzbauwerke. Die Landstrecken bestanden anfangs nur aus den namengebenden Rodungsschneisen mit Patroullienwegen sowie unterschiedlich dichten Postenketten aus Kohortenkastellen, Kleinkastellen und Wachttürmen - allesamt in Holzbauweise (Stufe 1). Auf den rund 80 Streckenkilometern der Odenwaldlinie reihten sich 4 Kohorten- und 11 Kleinkastelle sowie etwa 85 hölzernen Wachttürmen aneinander. Zwischen den Posten bestand Sichtverbindung, die Distanz zwischen ihnen variiert aber je nach Gelände. Im Durchschnitt stand alle 800 Meter ein Wachtturm bzw. Kastell. Damit war eine lückenlose Überwachung der Grenze und schnelle Signalübermittlung möglich - die Kernaufgabe der Grenzanlage. Alle Türme waren mit Gräben umgeben, einige zusätzlich mit Zäunen. Die Kastelle waren durch Holz-Erde-Mauern und vorgelagerte Gräben geschützt.
Am Obergermanisch-Raetischen Limes folgten drei weitere Ausbaustufen innerhalb eines Jahrhunderts. Bereits einige Jahre nach dem Bau der Postenkette wurde diese durch eine Palisade als durchgängiges Hindernis ergänzt (Stufe 2). Im Odenwald wie auch in der Wetterau geschah dies um 120 n.Chr. Weitere 25 Jahre später, um 145/146 n.Chr., ersetzte man die Holztürme und Kastelle im Odenwald durch Steinbauten (Stufe 3). Entlang des Odenwaldlimes waren diese allerdings nur kurz in Nutzung, denn um 150/160 kam es zur Verschiebung der Grenze um einige Kilometer nach Osten, zur Vorderen Odenwaldlinie. Lediglich einzelne Kastelle und Wachttürme blieben noch bis zu 30 Jahre darüber hinaus besetzt. In den Jahren um 200 n.Chr. wurde die hölzerne Palisade durch einen Erdwall mit vorgelagertem Graben ersetzt (Stufe 4). Die Arbeiten kamen am Odenwaldlimes folglich nicht mehr zur Ausführung, sondern am Vorderen Limes.
Bis zu 6000 Grenzsoldaten
Die Besatzungen der Kastelle und Türme bestanden aus Hilfstruppen, die aus ihren rückwärtigen Stützpunkten am Rhein und in Gallien um 110 n.Chr. an den Limes vorverlegt worden waren. Sie waren keine Legionäre (= römische Bürger), sondern wurden in den Provinzen rekrutiert. Die Legionen blieben hingegen in ihren bestehenden Lagern in Mainz und Straßburg. Als Elitetruppen waren sie für größere Feldzüge vorgesehen, sicherten die Versorgung von Nachschub und Baumaterial und errichteten als Pionierverbände das Infrastrukturgerüst der Provinz, also Straßen, Brücken, Ziegeleien, Mühlen, Bäckereien, Poststationen, Badeanlagen, Tempel und mehr. In den Grenzkastellen war jeweils eine Kohorte stationiert - Sollstärke ca. 600 Mann, bei manchen Verbänden waren darunter auch ca. 120 Reiter.
Die vier Kastelle des Mainlimes (Seligenstadt, Stockstadt, Niedernberg und Obernburg) und Wörth; später kamen Trennfurt, Miltenberg-West und Miltenberg-Ost hinzu) und die drei weiteren Kastelle des Odenwaldlimes (Oberscheidental, Neckarburken und Wimpfen - alle in Baden-Württemberg) bzw. ihre Pendants an der Vorderen Odenwaldlinie (Miltenberg-West, Osterburken und Jagsthausen) kommen somit auf eine Sollstärke von gut 4000 Mann. Dazu kamen die Wachmannschaften der Kleinkastelle und Wachttürme. Sie setzten sich zumeist aus niederrangigen, aber eigenständig operierenden Truppen zusammen, den Numeri. Im Odenwald waren wahrscheinlich neun Numeri stationiert, von denen sich einige 'Brittonen' nannten, ursprünglich also in Britannien rekrutiert worden waren. Ein Numerus bestand aus 150 bis 200 Mann. Theoretisch verfügte der Main- und Odenwaldlimes also über bis zu 6000 Soldaten. Zusammen mit ihren Familien machten die einen erheblichen Teil der grenznahen Bevölkerung aus. Der tatsächliche Personalstand vieler Einheiten lag allerdings deutlich unter der Sollstärke.
Vordere Odenwaldlinie
Um 150/160 wurde die Grenze um einige Kilometer nach Osten vorgeschoben, zum sogenannten 'Vorderen Limes'. Dieser führte von Miltenberg größtenteils schnurgerade nach Südosten zur schwäbischen Alb, wo er an den zur Donau bei Regensburg ziehenden Alblimes anschloss. Auch er bestand aus einer Kette steinerner Kastelle und Wachttürme sowie Holzpalisade. Letztere wurde nach knapp 50 Jahren durch einen Erdwall mit Graben ersetzt. Die Verlegung der Truppen geschah nicht über Nacht, sondern nahm mehrere Jahre in Anspruch. Während die allermeisten Einheiten zwischen 155 und 160 ihre neuen Stützpunkte am Vorderen Limes errichteten und dort einrückten, blieben wenige Numeri noch bis in die 180-er Jahre am alten Standort, vermutlich zur Nachschubsicherung und zwecks Rückbauarbeiten. Die Stärke der Grenztruppen blieb insgesamt unverändert, verminderte sich im 3. Jahrhundert zunehmend. Angesichts des hohen Aufwands ist nicht klar, welchem konkreten Zweck diese minimale Vorverlegung und Begradigung der Grenze diente.
Der 'Limesfall'
Aufgrund stark zunehmenden germanischen Drucks und einer gleichzeitigen inneren Destabilisierung durch politische Krisen und Bürgerkriege musste Rom den Obergermanisch-Raetischen Limes schließlich aufgeben. Massive Einfälle und Plünderungszüge von Alamannen, Franken und Juthungen in den Jahren 259/260 und dadurch ausgelöste jahrelange Wirren in den Nordprovinzen markieren den Kipppunkt der Grenzpolitik in Germanien. Erst als Rom die Kontrolle in den 270-er Jahren halbwegs wiedererlangt hatte, konnten die wenigen am Limes verbliebenen Truppen hinter Rhein und Donau zurückgezogen werden. Damit stand das rechstrheinische Gebiet einer germanischen Besiedelung endgültig offen. Viele Grenzkastelle waren zu dieser Zeit bereits längst zerstört und/oder verlassen, sei es in Folge germanischer Angriffe, ihrer Beteiligung am Bürgerkrieg, ausbleibender Anwerbungen oder Fahnenflucht.
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Die Wachttürme
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Die Römer nannten einen Wachtturm 'burgus'. Das Wort entstammt der grieschischen Sprache. In der Spätantike (ab dem 4. Jahrhundert) wurden auch stark befestigte Kleinkastelle so bezeichnet. Der Begriff war offensichtlich recht flexibel und wurde auch in vielen germanischen Sprachen übernommen, wo er sich zum deutschen Wort 'Burg' entwickelte.
Die Türme des Obergermanisch-Raetischen Limes dienten der Überwachung und Signalübermittlung. Ihre Verteidigungsfunktion war völlig untergeordnet und auf Selbstverteidigung beschränkt, denn der Limes war kein Bollwerk sondern 'nur' eine Kontrolllinie. Die Abwehr von Angriffen war Aufgabe der großen Kastellgarnisonen.
Um eine lückenlose Kontrolle der Grenze zu gewährleisten, mussten die Wachtposten über Sichtverbindung zueinander verfügen. Oftmals gab die Topographie entlang des Limesverlaufs die Positionen der Türme vor. Deren Mindesthöhe lässt sich von zwei benachbarten Turmstandorten zwischen Lützelbach und Haingrund, wenige Hundert Meter hinter der bayerisch-hessischen Grenze, ableiten: Erst ab einer Höhe von knapp 8m besteht direkte Sicht über die dazwischen liegende Bergkuppe. Die Wachttürme des Odenwaldlimes waren folglich dreigeschossig, inklusive Dach gut 10 Meter hoch.
Holztürme
Die erste Generation der Limestürme bestand aus Holz. Das Material fiel bei der Rodung der dutzende Meter breiten Grenzschneisen ohnehin in rauhen Mengen an und war einfach zu verarbeiten. Im Gegensatz zu den späteren Steintürmen waren die Holztürme von umlaufen Erdggräben umgeben. Für Angreifer waren sie ein Annäherungshindernis, ihre Hauptfunktion lag aber vermutlich in der Feuchtigkeitsregulation des Baugrunds.
Die Türme hatten einen quadratischen Grundriss von 5-6 Metern Seitenlänge. Vier mächtige Eckpfeiler trugen das dreigeschossige Fachwerkgebinde. Der Eingang lag im ersten Obergeschoss und war nur über eine Leiter zu erreichen. Das Erdgeschoss hingegen war nicht nutzbar. Seine Außenwand bestand aus trocken gesetztem Bruchsteinmauerwerk, in das ein Gitterwerk aus über Kreuz verlegten Holzbalken integriert war. Die Hohlräume im Inneren waren mit Steinen und Erde gefüllt. Diese Konstruktion konnte von Angreifern nicht untergraben werden.
Im ersten Obergeschoss befand sich die Mannschaftsstube. Aus Verteidigungsgründen wie auch zwecks Wärmeisolierung im Winter hatte sie nur kleine Lichtschlitze. Im zweiten Obergeschoss war die Wachstube untergebracht, erreichbar über eine weitere Leiter im Inneren. Hier gab es große Fensteröffnungen zum Wachdienst und - notfalls - zum Waffeneinsatz. Für umlaufende Balkone, wie sie auf den meisten Darstellungen römischer Wachttürme zu sehen sind, gibt es am Odenwaldlimes hingegen keine Hinweise.
Steintürme
Die um bzw. kurz nach 110 n.Chr. errichteten Holztürme wurden 145/146 n.Chr. durch Steinbauten ersetzt. Einige waren bereits vor dieser Maßnahme duch neue Holztürme ersetzt worden. Folglich dürfte die erste Generation der Wachtposten nach gut 30 Dienstjahren in ziemlich marodem Zustand gewesen sein. Da die Altbauten in Betrieb blieben bis die Neubauten wenige Meter weiter fertiggestellt waren, liegen an fast allen Turmstellen die Reste eines Holz- und eines Steinturms direkt nebeneinander. Bei den bereits vor 145/146 erneuerten Holztürmen sind es sogar zwei Holztürme und ein Steinturm nebeneinander.
Bis auf das Baumaterial unterschieden sich die Steintürme kaum von ihren hölzernen Vorgängern: quadratisch, 5-6 Meter Seitenlänge, Gesamthöhe inklusive Dachgeschoss rund 10 Meter, flaches Zeltdach mit Holzschindeldeckung, Eingang und Mannschaftsstube im ersten OG, Wachstube im zweiten OG. Allerdings verfügten sie über einen zur Lagerung von Vorräten nutzbaren Raum im Erdgeschoss. Dieser hatte keine Fenster und war nur über eine Leiter von der darüberliegenden Stube zugänglich. Und im Gegensatz zu den Holztürmen besaßen die Steintürme in der Regel keinen umlaufenden Graben mehr.
Von den Steinbauten sind verschiedene Verzierungen und Inschriften bekannt, vor allem von Turmstellen aus dem heute teilweise bayerischen Limesabschnitt zwischen Würzberg und Schloßau. Solche Baudetails sind auch für die älteren Holztürme anzunehmen, aufgrund der Vergänglichkeit des Materials jedoch nicht erhalten. Die Steinbauten hatten einen außen um ca. 30 cm vorspringenden Fundamentsockel mit Profilsteinen aus örtlichem Buntsandstein. Das Aufgehende konnte hingegen aus unbearbeiteten Sandsteinen bestehen. Da es verputzt und zumeist mit einem roten Fugenstrich versehen war, wirkte es dennoch wie regelmäßiges Mauerwerk. Zwischen den Obergeschossen, eventuell auch unter dem Dachgeschoss gab es umlaufende Gesimse. Über den Tür- und Fensterstürzen des ersten OG saßen halbrunde, verzierte Lünettensteine. Die großen Fensteröffnungen im zweiten OG waren durch profilierte Mittelsäulen unterteilt. Besonders im Türbereich gab es häufig Inschriften, teilweise in den Lünettensteinen, teilweise in zusätzlichen runden oder rechteckigen Steinplatten. Es waren in aller Regel Bauinschriften mit Ehrenformeln für den Kaiser.
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Provinz Germanien
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Im Jahr 55 v.Chr. waren im Zuge der Gallischen Kriege römische Truppen unter Gaius Julius Caesar erstmals zum Rhein und Main vorgestoßen. Nach der endgültigen Unterwerfung der gallischen Stämme 50 v.Chr. wurden die Gebiete bis zum Rhein romanisiert und von Kaiser Augustus schließlich als Provinzen in das Römische Reich eingegliedert. Die Regionen entlang des Rheins, die späteren Provinzen Nieder- und Obergemanien, blieben hingegen Militärbezirke unter Armeeverwaltung und fungierten als Pufferzonen gegen die germanischen Stämme östlich des Rheins.
1. Hälfte 1. Jh.: Julische Kaiser
Seit 12 v.Chr. waren am Rhein starke Heeresverbände stationiert, vor allem in den Legionslagern Windisch (CH), Straßburg (F), Mainz, Köln, Neuss, Xanten und Nijmegen (NL). Im Zuge der sogenannten Augusteischen Germanenkriege unternahmen regelmäßig Feldzüge ins rechtsrheinische Germanien, die nicht mehr nur die Sicherung Galliens zum Ziel hatten, sondern die Unterwerfung der dortigen Stämme. Germanien sollte römische Provinz werden und die Grenze des Imperiums bis zur Elbe vorgeschoben werden. Bekanntermaßen scheiterte dieser Plan. In der Varusschlacht 9 n.Chr. verlor Rom drei komplette Legionen samt Hilfstruppen und Tross. Die gewaltigen Rückeroberungs- und Vergeltungsfeldzügen unter Germanicus ab 14 n.Chr. blieben letztlich erfolglos. Kaiser Tiberius beorderte die Truppen im Jahr 16 n.Chr. an den Rhein zurück und ließ so gut wie alle rechtsrheinischen Stützpunkte räumen. Damit wurden die Bestrebungen zur Herrschaftsübernahme in Germanien aufgegeben.
In den folgenden Jahrzehnten wurde die Rhein-Donau-Linie systematisch mit weiteren Kastellen ausgebaut. Jenseits der Grenzflüsse kam es jedoch nur in zwei Regionen zur Errichtung von Kastellen: in der Wetterau wegen deren Fruchtbarkeit sowie zwischen Freiburg/Breisgau und den Donauquellen wegen der verkehrstechnischen Bedeutung. In einigen Bereichen der Grenze und deren Vorfeld wurden verbündete germanische Volksgruppen quasi als paramilitärische Milizen angesiedelt. Im Inneren kam es zur wirtschaftlichen und administrativen Strukturierung des späteren Provinzgebiets.
Die Römer sicherten die Grenze, indem sie eine zig Kilometer breite 'Sicherheitszone' kontrollierten. Folglich waren römische Truppen auch jenseits des unter römischer Herrschaft stehenden Gebiets, etwa dem bayerischen Untermain, ein vertrautes Bild. Im Rahmen von Militäroperationen wurden in der Regel zwar noch keine dauerhaften Stützpunkte errichtet, dennoch kam es zu vielfältigen und regelmäßigen friedlichen Kontakten, allen voran Handel. Diese hatten bereits erheblichen romanisierenden Einfluss auf die hiesigen germanischen Gemeinschaften.
2. Hälfte 1. Jh.: Flavische Kaiser
Die ab 69 n.Chr. regierenden Flavier griffen wieder stärker auf das rechtsrheinische Gebiet zu. Unter Kaiser Valentinian wurden mehrere Kastelle in der Wetterau, entlang der Bergstraße und weiter nach Süden bis auf Höhe Straßburg/Offenburg angelegt, außerdem auf der Schwäbischen Alb zwischen Rottenburg am Neckar und oberer Donau. Ein Straßennetz ermöglichte wesentlich schnellere Truppenbewegungen entlang des Rheins und an die Donau. Mit den Soldaten kamen auch ihre Familien, Handwerker, Händler und andere Dienstleister. Unter Militärverwaltung entstanden nicht nur Straßen, sondern auch Häfen, Badeanlagen, Märkte und vieles mehr. Diese Infrastruktur bildete das Gerüst der entsteheden Provinz Obergermanien. Nach neuerlichen Befriedungsfeldzügen hauptsächlich ins nördliche Hessen ließ Kaiser Domitian Niedergermanien um 85 und Obergermanien um 90 n.Chr. schließlich als vollwertige Provinzen in zivile Verwaltung übergehen.
2. Jh.: Adoptivkaiser
Traian (98-117), ließ zur langfristigen Sicherung der jungen Provinzen eine fast lückenlos überwachte Grenze zum 'freien' Germanien anlegen: den Obergermanisch-Raetischen Limes. Von Rheinbrohl zwischen Koblenz und Bonn verläuft er auf rund 550 Streckenkilometern bis nach Eining an der Donau südwestlich von Regensburg. Die im Hinterland stehenden Truppen wurden sukzessive an die neue Grenzlinie verlegt, in den Gebieten dahinter, dem sogenannten Dekumatland, zivile Verwaltungsstrukturen geschaffen. Kaiser Hadrian (117-138) ließ die Kastellkette weiter verdichten und mit einer Holzpalisade befestigen. Unter Kaiser Antoninus Pius (138-161) wurden die meisten Kastelle und Wachttürme in Stein ausgebaut. Nur wenige Jahre darauf ließ er den Grenzverlauf im Gebiet von Odenwald, Neckar und Schwäbischer Alb um einige Kilometer nach Osten auf den Vorderen Limes vorverlegen. Etwa zur gleichen Zeit, Mitte des 2. Jahrhunderts, siedelten sich elbgermanische Gruppen in Main- und Tauberfranken an, also im direkten Limesvorfeld. Innergermanische Umwälzungen hatten die ethnische Dynamik der Stammeswelt erhöht, was in zunehmendem Druck auf die Reichsgrenze resultierte. Kaiser Commodus ließ deshalb um 185 mehrere Grenzanlagen erneuern und erweitern. 213 musste Kaiser Caracalla einen großen Straffeldzug jenseits des Limes durchführen.
3. Jh.: Reichskrise
Trotz dieser Entwicklung sahen sich die ab 193 regierenden Severer gezwungen, immer mehr Truppen an die östlichen Reichsgrenzen abzubeordern, insbesondere Reiterei. Seit den 230er Jahren nutzten germanische Krieger, unter anderem aus dem Großstamm der Alamannen, die Schwäche der Grenztruppen für Plünderungszüge ins Limeshinterland aus. Kaiser Maximinus Thrax, der erste der sogenannten Soldatenkaiser, führte 235 zwar einen erfolgreichen Feldzug weit ins Innere Germaniens und ließ Befestigungen am Limes wiederaufbauen und/oder verstärken. In der Verkleinerung vieler Kastelle sowie unvollständigem bzw. notdürftigem Wiederaufbau etlicher Zivilsiedlungen äußerten sich jedoch die Probleme dieser Zeit, die von Historikern als 'Reichskrise' eingestuft wird. Die drastische Reduktion des Militärs und dessen Kaufkraft lähmte die maßgeblich davon abhängige Wirtschaft der Grenzprovinzen, während die Einfälle plündernder Germanen weiter zunahmen. Ein allgemeiner Niedergang, Verheerung des Grenzlandes und Bevölkerungsschwund waren die Folge.
Zwischen 260 und 280 wurde schließlich die militärische Grenze an Rhein, Bodensee, Donau und Iller (Donau-Iller-Rhein-Limes) zurückverlegt und das Dekumatland von den römischen Truppen geräumt. Die Restbevölkerung wanderte zwar nicht komplett aus, ging aber langsam in den alamannischen Volksgruppen auf, die sich in den folgenden Jahrzehnten hier ansiedelten. Der Limes ist nicht überrannt worden, sondern es handelte sich um einen strategischen Rückzug. Der Obergermanisch-Raetische Limes war, wie die meisten anderen römischen Grenzanlagen auch, keine Verteidigungslinie. Er sollte primär den hauptsächlich friedlichen Grenzverkehr halbwegs lückenlos überwachen und steuern - Zoll inbegriffen. Als Bollwerk gegen Kriegergruppen, geschweige denn gegen Armeen, war er weder gedacht noch geeignet. Diese aufzuhalten und ihnen bestenfalls durch Präventivoperationen zuvorzukommen war Aufgabe der Truppen in den größeren Kastellen und insbesondere der im Hinterland stationierten Legionen.
4. Jh.: Spätantike
Ab ca. 290 erfolgte unter Diokletian und den Kaisern der Tetrarchie eine massive Befestigung der Flussgrenzen und des Landabschnitts zwischen Rhein/Bodensee und Donau/Iller durch Kleinkastelle und stark befestigte Wachttürme (burgi). Weitere Kastelle im Hinterland, die Stärkung der Rhein-, Bodensee- und Donauflotten, die Befestigung ziviler Siedlungen und Gutshöfe sowie die Ansiedlung verbündeter Germanen als Milizen ergänzten das Defensivsystem. Die Strategie der Grenzverteidigung bestand darin, feindliche Grenzübertritte dank lückenloser Überwachung und effektiver Kommunikation direkt verhindern oder im Limeshinterland rasch stellen zu können. Abschreckungs- und Rachefeldzüge jenseits des Limes und Bündnisverträge mit den grenznahen Häuptlingen sollten die Zahl solcher Durchbrüche minimieren.
Dieses Konzept hielt dem anhaltenden und zunehmenden germanischen Druck im 4. Jahrhundert zwar größtenteils stand und die Befestigungen wurden mehrmals instandgesetzt, im Hinterland kam es aber dennoch zu einer schleichenden Erosion der zivilen Wirtschafs- und Verwaltungsstrukturen. Denn Einfälle kleinerer Kriegergruppen waren kaum zu verhindern und besonders in den nicht seltenen Phasen innenpolitischer Krisen kam es auch zu größeren Plünderungszügen, vornehmlich von Franken und Alamannen.
5. Jh.: Völkerwanderung
Nachdem die Westgoten 401 nach Italien eingefallen waren, wurde ein Großteil der Truppen von der Rheingrenze abgezogen, vermutlich zur Verteidigung Italiens. Zum Jahreswechsel 406/407 gelang es mehreren großen barbarischen Verbänden, vor allem Vandalen, Sueben und Alanen, den Rhein auf Höhe Mainz-Worms zu überqueren und nach Gallien einzufallen. Rom verlor zwar nur kurz die Kontrolle an der Rheingrenze, aufgrund der Handlungsunfähigkeit des Kaisertums bzw. des Militärs blieben Offensivaktionen ins rechtsrheinische Gebiet seitdem jedoch aus und die Grenzprovinzen mussten ihre Verteidigung weitgehend selbst in die Hand nehmen.
Am Oberrhein wurde diese Aufgabe zwischen 407 und 435 vor allem vom Stamm der Burgunden übernommen. Als Bundesgenossen in römischen Diensten (foederati) erkauften sie sich damit das Siedlungsrecht in diesem Gebiet. Um 420 kontrollierten sie gemeinsam mit regulären Einheiten sogar noch einmal die gesamte Rheingrenze. Dank germanischer Verbündeter blieben die meisten Grenzkastelle bis in die Mitte des 5. Jahrhunderts besetzt.
Im Gegensatz zu den Burgunden erwiesen sich die Franken am Niederrhein jedoch als unzuverlässige Bundesgenossen und versuchten mehrmals die Kontrolle im Rheinland zu übernehmen. Ab ca. 450 war es den Römern nicht mehr möglich, sie in die Schranken zu weisen, die Rheinprovinzen waren spätestens seit den 480-er Jahren endgültig verloren. Hingegen blieben die Gebiete südlich der Donau weitgehend unter Kontrolle - selbst über das Ende des weströmischen Kaisertums hinaus bis in die Zeit des Ostgotenreichs Theoderichs.
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Literatur und Links
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Dietwulf Baatz: Der Römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau. 4. Auflage, Berlin 2000.
Egon Schallmeyer: Der Odenwaldlimes. Entlang der römischen Grenze zwischen Main und Neckar, Stuttgart 2010, S.67-74.
Bernd Steidl: Welterbe Limes. Roms Grenze am Main. Ausstellungskataloge der Archäologischen Staatssammlung 36, Obernburg 2008.
weiterführende Links